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Flüchtlinge reparieren gebrauchte Fahrräder und gewinnen damit Mobilität

Rechtzeitig vor Beginn der kalten Jahreszeit ist eine kleine Reparaturwerkstatt für Fahrräder auf dem Gelände der Gemeinschaftsunterkunft an der Mainaustraße am Westkreuz in München fertig geworden. Die Montage der Wellblechhütte ist der Kern eines Fahrrad- und Gartenprojektes, von dessen Verwirklichung die Bewohner der Unterkunft sowie die Sozialarbeiter der Arbeiterwohlfahrt München-Stadt (AWO) und der Helferkreis schon lange geträumt haben. Der Werkschuppen hat „mit Inhalt“ knapp 1000 € gekostet – davon stammen 700 € aus einer Firmenspende an den Kreisverband der AWO München-Stadt, der die Asyl-Sozialberatung der Gemeinschaftsunterkunft betreibt, der Rest aus dem Spendentopf des Helferkreises Mainaustraße.

Noch in den letzten Sommerwochen hat ein Mitarbeiter der AWO zusammen mit einem befreundeten Bauunternehmer mit einem Lastwagenkran den baulichen Untergrund für die Wellblechhütte ausgehoben und die notwendigen Steinplatten verlegt. Den Bau selbst, der aus insgesamt 930 Einzelteilen besteht, haben dann Mitglieder des Helferkreises unter Anleitung von Wolfgang Ulhorn erstellt. Lena Bauer, Leiterin der Asyl-Sozialberatung der AWO München-Stadt in der Gemeinschaftsunterkunft Mainaustraße, freut sich über den Abschluss der Arbeiten. Ziel dieses Gemeinschafts-Projektes von Helferkreis und der AWO München-Stadt sei es, „zusammen mit den Bewohnern der Unterkunft etwas zu schaffen, was nachhaltig ist“.

Und so funktioniert das Projekt: Fachkundige Mitglieder des Helferkreises leiten Bewohner der Flüchtlingsunterkunft an, gebrauche Fahrräder, die als Spende abgegeben worden sind, wieder fahrtauglich zu machen. Die in Eigenarbeit renovierten Drahtesel werden dann gegen einen geringen Obolus – zwischen 15 € und 30 € – an die Bewohner der Flüchtlingsunterkunft verkauft. „Wir wollen ganz absichtlich nichts verschenken“, sagt die Leiterin des Helferkreises Mainaustraße, Dagmar Mosch, der Leitgedanke laute vielmehr „Abgabe gegen Unkostenbeitrag“. Da werde mitunter „scharf gehandelt“, hat Wolfgang Ulhorn beobachtet. Das eigene Stahlross mache dann aber die neuen Besitzer stolz und mit dem erhobenen Unkostenbeitrag können wieder notwendige Ersatzteile angeschafft werden. Seinen Anfang genommen hat das Projekt vor eineinhalb Jahren im Jugendtreff Neuaubing, wo erstmals Flüchtlinge aus der Unterkunft Mainaustraße gespendete Altfahrräder für Flüchtlinge repariert haben.

Inzwischen hat sich unter einem Schutzdach im Hof der Unterkunft ein stattlicher Fuhrpark an Zweirädern angesammelt. Die Erwachsenen erkunden damit das Stadtviertel am Westkreuz und nutzen die Fahrräder zum Einkaufen in den umliegenden Supermärkten, die Kinder wiederum fahren mit ihren eigenen Rädern allmorgendlich in die Schule. Auch dies sei ein Ziel dieses Fahrradprojektes, sagt Franziska Maier, „die Bewohner der Unterkunft gewinnen Mobilität ohne Auto und sparen gleichzeitig, weil sie ihre MVG-Streifenkarte weniger benutzen müssen“. Franziska Maier leitet das Fahrradprojekt in der Flüchtlingsunterkunft. Die gelernte Architektin, die sich im Helferkreis an der Mainaustraße engagiert, ist passionierte Radlerin und Mitglied im Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC), der sie zu dem Fahrradprojekt in der Mainaustraße motiviert hat.

Jeden letzten Donnerstag im Monat wird in dem neuen Werkschuppen in der Flüchtlingsunterkunft geschraubt, montiert und geölt. „Werkzeug und Ersatzteile sind vorhanden“, sagt Franziska Maier, aber man könne noch gut ein paar Helfer gebrauchen, „die irgendeine Ahnung vom Fahrrad haben“.

Unter dem Dach des Werkschuppens werden gleichzeitig aber auch noch Gerätschaften für den Gartenbau gelagert und gewartet. Denn das ist das zweite Standbein des Selbsthilfeprojektes der Flüchtlingsunterkunft in der Mainaustraße: die Pflege und Bewirtschaftung kleiner Gartenparzellen, auf denen die Flüchtlinge Gemüse und Blumen für den Eigenbedarf anpflanzen können. Die entsprechenden Beete sind in diesem Herbst schon angelegt worden, im nächsten Frühjahr sollen sie dann bepflanzt werden. „Auch damit wollen wir gemeinsam mit den Bewohnern der Unterkunft Nachhaltigkeit schaffen“, betont die AWO-Leiterin Lena Bauer.

Christian Schneider